Sauerstoffsättigung: Was bedeutet das eigentlich?
Die Sauerstoffsättigung, abgekürzt SO₂, beschreibt den Anteil des Oxyhämoglobins (Hämoglobin, das Sauerstoff gebunden hat) am gesamten Hämoglobin im Blut. Einfach gesagt: Sie gibt an, wie viel Prozent der roten Blutkörperchen aktuell mit Sauerstoff beladen sind.
Bei einem gesunden Menschen liegt diese Sättigung im Ruhezustand typischerweise zwischen 95 und 99 Prozent. Diese Werte zeigen, dass das Blut fast vollständig mit Sauerstoff „vollgetankt“ ist, sodass die Organe und Muskeln optimal versorgt werden können.
Wie funktioniert das im Körper? – Physiologische Grundlagen
Ein Mensch atmet in Ruhe pro Minute etwa vier bis sechs Liter Luft ein und aus. Diese Menge reicht völlig aus, um den Sauerstoffbedarf zu decken und eine nahezu vollständige Sauerstoffsättigung zu erreichen.
Viele stellen sich vor, dass man mit besonders tiefen Atemzügen noch mehr Sauerstoff ins Blut bringen könnte – bis auf eine perfekte Sättigung von 100 Prozent.
Doch das ist physiologisch nicht möglich und auch nicht sinnvoll:
Sauerstoff wird im Körper ständig aus dem Blut in die Zellen abgegeben, wo er gebraucht wird. Dadurch sinkt die Sättigung leicht ab, noch bevor „100 Prozent“ erreicht werden können.
Eine Sauerstoffsättigung von exakt 100 Prozent wäre sogar problematisch: Die roten Blutkörperchen würden den Sauerstoff zu fest binden. Die Folge wäre, dass sie den Sauerstoff schlechter an Muskeln, Organe und Gewebe abgeben könnten – genau dort, wo er eigentlich gebraucht wird.
Das Blut erfüllt also nicht nur die Aufgabe, Sauerstoff aufzunehmen, sondern vor allem, ihn auch gezielt wieder freizugeben. Diese Balance ist entscheidend für unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Mehr Sauerstoff bringt nicht immer mehr Nutzen
Unser Körper verfügt im Normalzustand bereits über einen deutlichen Sauerstoffüberschuss im Blut. Selbst im Ruhezustand wird ungefähr 95% des eingeatmeten Sauerstoffs wieder ausgeatmet, ohne dass er zuvor in den Zellen genutzt wurde.
Das bedeutet: Das Blut ist so gut mit Sauerstoff gesättigt, dass zusätzliche tiefe Atemzüge in der Regel keinen echten Mehrwert bringen. Auch bei körperlicher Anstrengung erhöht sich die Sauerstoffsättigung nicht weiter, sondern der Körper verbraucht lediglich etwas mehr von dem ohnehin vorhandenen Überschuss.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist deshalb die Annahme, dass „mehr Atmen“ automatisch mehr Sauerstoff für Muskeln und Organe bedeutet. Tatsächlich hat unser Körper ein ausgeklügeltes System, das dafür sorgt, dass stets genügend Sauerstoff zur Verfügung steht, ganz ohne willentliches Mehratmen.
Tiefe Atemzüge: Der Kalorien-Vergleich
Die Vorstellung, dass tieferes oder häufigeres Atmen den Sauerstoffgehalt im Blut steigern könnte, lässt sich gut mit der Ernährung vergleichen:
Es ist ähnlich, wie wenn jemand, der bereits ausreichend gegessen hat, trotzdem noch mehr Nahrung aufnimmt, um „noch gesättigter“ zu sein. Der Körper hat aber schon, was er braucht – und die zusätzliche Aufnahme bringt keinen zusätzlichen Nutzen.
Dieses Bild hilft zu verstehen: Mehr Sauerstoff aufzunehmen, als der Körper ohnehin problemlos transportieren und nutzen kann, ist weder notwendig noch vorteilhaft. Stattdessen geht es darum, den Atem ruhig, effizient und im Einklang mit dem tatsächlichen Bedarf des Körpers fließen zu lassen.
Viele Menschen halten dennoch an der Überzeugung fest, dass tiefe Atemzüge grundsätzlich gut und gesund seien. Und tatsächlich kann sich ein tiefer Atemzug subjektiv angenehm anfühlen, ähnlich wie das wohltuende Strecken nach dem Essen. Doch rein physiologisch hat er keine messbare Wirkung auf die Sauerstoffversorgung, wenn diese ohnehin schon fast vollständig gesättigt ist.
Warum der Glaube an tiefe Atemzüge so stark ist
Viele Menschen sind fest davon überzeugt, dass tiefe Atemzüge grundsätzlich gesund sind und den Körper mit mehr Sauerstoff versorgen. Diese Vorstellung wird oft durch Ratgeber, Medien, Yoga- und Stresskurse oder Atemtrainer verstärkt.
Es ist auch leicht nachzuvollziehen, warum dieser Glaube so hartnäckig bleibt: Ein tiefer Atemzug kann sich subjektiv sehr gut anfühlen. Er schafft ein Gefühl von Weite im Brustkorb, löst Spannungen und wird oft mit Ruhe und Entspannung verbunden – ähnlich wie das wohltuende Strecken nach einer Mahlzeit.
Doch obwohl sich dieser Effekt im Moment angenehm anfühlt, bedeutet er nicht, dass der Körper dadurch tatsächlich besser mit Sauerstoff versorgt wird. Die physiologische Sauerstoffsättigung im Blut ist bereits im Normalzustand so hoch, dass zusätzlicher Sauerstoff durch tieferes Atmen nicht benötigt wird.
Relevanz für Breathwork & funktionelles Atmen
Gerade im Breathwork-Training oder mit Methoden wie Oxygen Advantage ist dieses Wissen zentral: Es geht nicht darum, möglichst viel oder möglichst tief zu atmen, um mehr Sauerstoff ins Blut zu bekommen. Stattdessen liegt der Fokus auf Atemkontrolle, der Verbesserung der CO₂-Toleranz und einer effizienteren Sauerstoffnutzung durch die Zellen.
Anstatt reflexartig tief einzuatmen, übt man, den Atem bewusst zu steuern: sanft, ruhig und angepasst an den tatsächlichen Bedarf des Körpers. Das Ziel ist nicht, mehr Sauerstoff einzuatmen, sondern den bereits vorhandenen Sauerstoff besser verfügbar zu machen und die Balance zwischen Sauerstoff und Kohlendioxid zu optimieren.
So entsteht ein nachhaltiger Nutzen: Die Atemwege bleiben entspannt, das Nervensystem wird beruhigt, und der Körper kann Sauerstoff dort abgeben, wo er wirklich gebraucht wird – in Muskeln, Organen und Geweben.
Gerade in stressigen Situationen ist diese Erkenntnis besonders wertvoll: Nicht das „Mehr“ an Atem bringt uns weiter, sondern das richtige Maß und die Qualität unseres Atems.
Warum weniger manchmal mehr ist: Buteyko, Atemanhalten und CO₂-Toleranz
Während viele glauben, dass häufiges, tiefes Atmen den Körper mit mehr Sauerstoff versorgt, zeigen Methoden wie die Buteyko-Methode und Oxygen Advantage genau das Gegenteil: Sie setzen darauf, die Atmung bewusst zu reduzieren, nicht zu vertiefen.
Ziel dieser Methoden ist, die CO₂-Toleranz zu erhöhen. Denn Kohlendioxid ist nicht nur ein „Abfallprodukt“, sondern spielt eine entscheidende Rolle im Körper:
Durch den sogenannten Bohr-Effekt führt ein höherer CO₂-Spiegel dazu, dass Hämoglobin den Sauerstoff leichter an Organe, Muskeln und Gehirn abgeben kann.
Eine chronisch zu schnelle oder tiefe Atmung – auch bekannt als Hyperventilation oder „Überatmung“ – senkt den CO₂-Spiegel im Blut und verschlechtert so paradoxerweise die Sauerstoffversorgung der Zellen.
Atemanhalten als Trainingstool
Ein zentrales Werkzeug in der Praxis ist das bewusste Atemanhalten (Breath Holds).
Diese kurzen Pausen erhöhen sanft den CO₂-Spiegel. Gleichzeitig trainieren sie das Nervensystem, mit dem Gefühl von Luftknappheit ruhiger umzugehen.
Langfristig verbessert sich so die CO₂-Toleranz, wodurch der Körper Sauerstoff effizienter nutzen kann.
Nasenatmung: klein, aber entscheidend
Auch Nasenatmung ist ein wichtiger Bestandteil vieler modernen Atemmethoden:
- Sie bremst die Atmung automatisch.
- Filtert, befeuchtet und erwärmt die Luft.
- Unterstützt die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) in den Nebenhöhlen, das gefäßerweiternd wirkt und so die Durchblutung verbessert.
-> Weitere Vorteile der Nasenatmung
Mehr Nutzen durch Effizienz, nicht durch Volumen
Der wichtigste Gedanke, der Buteyko, Oxygen Advantage und ähnliche Ansätze verbindet:
Nicht mehr atmen – sondern besser.
Statt den Körper mit Luft „zu fluten“, trainiert man, ruhig, effizient und bedarfsgerecht zu atmen. Dadurch bleibt der CO₂-Spiegel stabil, und der bereits vorhandene Sauerstoff wird dort abgegeben, wo er gebraucht wird.
Das Ergebnis:
- Weniger Atemnot bei Belastung.
- Bessere Konzentration.
- Mehr Ruhe im Alltag.
- Nachhaltige Leistungssteigerung ohne „Hyperventilationsmuster“.